Epilepsie-Langzeitstudie mit überraschenden Ergebnissen
16 Feb 2011
In der Epilepsieforschung ist immer noch wenig bekannt darüber,
wie und warum es zu epileptischen Anfällen kommt. Forscher der
Universität Bonn liefern nun in einer neuen Studie wichtige Erkenntnisse
darüber, welche Reaktionen im Gehirn eines Epilepsiepatienten
ablaufen.
Dabei haben sie nicht nur den Zeitraum, in dem ein Anfall geschieht,
sondern auch normale Phasen untersucht und sind zu überraschenden
Ergebnissen gekommen. Die Studie ist in der Zeitschrift Chaos
erschienen (doi: 10.1063/1.3504998).
Die Forscher in der Universitätsklinik für Epileptologie haben
untersucht, wie Hirnregionen bei Epilepsiepatienten miteinander
kommunizieren und wie sich diese Kommunikation bei einem Anfall
verändert. Dazu haben sie die Hirnaktivität mit Elektroden im
Schädel gemessen. Das Besondere an der Studie: Die Wissenschaftler
haben nicht nur, wie bislang üblich, wenige Minuten während des
Anfalls gemessen, sondern über mindestens zwei Tage, im längsten
Fall sogar über zehn Tage.
Diese lange Dauer der Untersuchung ist bislang einzigartig. Zumal
die Patienten sich während der Untersuchung verhielten wie in ihrem
normalen Alltag auch: Sie schauten fern, lasen oder telefonierten.
Insgesamt wurden 13 Patienten untersucht.
Über ihre Messungen
konnten die Forscher rekonstruieren, wie die Regionen im Gehirn
miteinander kommunizieren. Dabei achteten sie unter anderem darauf,
wie sich Aktivitätsänderungen in einer Region auf die Aktivität
anderer Regionen auswirkten. Mit Hilfe dieser Netzwerkanalysen
hoffen die Forscher in Zukunft, Anfälle besser vorher zu sehen. „Man
sollte meinen, dass man mit diesen Methoden Vorboten für Anfälle im
Gehirn sieht. Aber das ist bislang nicht der Fall“, erklärt die
Leiterin der Untersuchung Marie-Therese Kuhnert. Sie promoviert über
dieses Thema.
Tag-Nacht-Wechsel deutlicher als
epileptischer Anfall
Tagsüber ist die Kopplung
verschiedener Regionen im Gehirn gering, nachts arbeiten sie eher im
Gleichklang. Während eines epileptischen Anfalls, so wird angenommen,
ist die Gleichschaltung jedoch noch viel stärker.
Überraschenderweise zeigten die Netzwerkanalysen aber, dass
Veränderungen der Kommunikation zwischen den Hirnregionen durch den
Tag-Nacht-Wechsel oder auch durch Medikamente viel deutlicher waren
als vor oder sogar während epileptischer Anfälle. „Wir müssen
nun die 'normalen' Phasen zwischen den Anfällen besser verstehen",
betont Kuhnert. "Wir wollen aber auch die Analysemethoden weiter
verbessern, um mögliche Veränderungen vor einem epileptischen Anfall
besser zu erkennen.“
Die Untersuchung stößt international auf
großes Interesse. Gerade hat Marie-Therese Kuhnert zusammen mit
ihrem Doktorvater Professor Dr. Klaus Lehnertz und dem Direktor der
Bonner Universitätsklinik für Epileptologie Professor Dr. Christian
Elger ihre Ergebnisse im aktuellen Journal "Chaos" publiziert. Dabei
waren die Forscher vom Ausgang ihrer Untersuchung selbst überrascht.
„Vor allem hätten wir nicht gedacht, dass die Netzwerkänderungen bei
epileptischen Anfällen so gering sind“, erklärt Marie-Therese
Kuhnert.
Reference
Marie-Therese Kuhnert, Christian E. Elger, Klaus Lehnertz.
Long-term variability of global statistical properties of epileptic
brain networks. Chaos Band 20, Ausgabe 4 (doi:
10.1063/1.3504998)