Dritte Dimension in gezielter Zellkultivierung realisiert
14 April 2011
Am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) ist es Forschern
des DFG-Centrums für Funktionelle Nanostrukturen (CFN) gelungen, gezielt
Zellen auf dreidimensionalen Strukturen zu kultivieren. Das
Faszinierende dabei: Den Zellen werden Mikrometer kleine "Griffe" am
Gerüst angeboten, an denen sie anhaften können - und zwar nur an diesen,
am restlichen Gerüst finden sie keinen Halt.
Dadurch wird die Zellhaftung und somit die Zellform erstmalig
präzise in 3D beeinflusst. Damit ist dem Team um Professor Martin
Bastmeyer ein großer Fortschritt im Bereich des
Biomaterial-Engineerings gelungen.
Bisher existieren bereits zahlreiche Ansätze für die Zellkultur
in dreidimensionalen Umgebungen, die meist aus Agarose,
Kollagenfasern oder Matrigel hergestellt werden. Sie sollen die
flexible dreidimensionale Wirklichkeit, in der Zellen normalerweise
agieren, simulieren und damit realitätsnähere Versuche ermöglichen,
als dies mit Zellkulturen in "zweidimensionalen Petrischalen"
möglich ist. Allerdings ist diesen Ansätzen bisher eines gemeinsam:
Sie sind meist heterogen zusammengesetzt und weisen zufällige
Porengrößen auf. Daher sind sie strukturell und biochemisch schlecht
charakterisiert.
Ziel für die Forschungsgruppe Bastmeyer war es nun, definierte
dreidimensionale Wachstumssubstrate für die Zellkultur zu
entwickeln. Zellen sollen sich darin nicht zufällig, sondern nur an
bestimmten Stellen anheften. So lassen sich Parameter wie Zellform,
Zellvolumen, intrazelluläre Kraftentwicklung oder zelluläre
Differenzierung systematisch in Abhängigkeit von der äußeren
Geometrie der Umgebung bestimmen. Diese Erkenntnisse sind nützlich,
um später gezielt dreidimensionale Wachstumsumgebungen für
Gewebekulturen, die beispielsweise in der regenerativen Medizin
benötigt werden, in größerem Maßstab herzustellen.
Dieses Ziel wurde mithilfe eines speziellen Polymergerüsts
verwirklicht. Das Gerüst selbst besteht aus einem flexiblen,
proteinabweisenden Polymer mit kleinen quaderförmigen Griffen aus
einem proteinbindenden Material. Den Gerüstbau vollzogen die
Wissenschaftler mithilfe des am CFN von den Physikern Professor
Martin Wegener und Prof. Dr. Georg von Freymann entwickelten
Verfahrens des Direkten Laserschreibens (DLS).
Zelle im Zweikomponenten-Polymergerüst. Die
Fotomontage basiert auf einer Raster-Elektronen-Mikroskop- und einer
Laser-Scanning-Mikroskop-Aufnahme. (Bild: CFN)
Die Aufnahme der Zelle im
Zweikomponenten-Polymergerüst entstand mithilfe eines
Laser-Scanning-Mikroskops (LSM). Grün gefärbt ist das Zytoskelett
der Zelle, weiß wiedergegeben werden Teile des
Zweikomponenten-Polymergerüstes, die "Zellgriffe" sind rot
koloriert. (Bild: CFN)
Mit diesem war es möglich, eine proteinabweisende Struktur zu
fabrizieren, die aus 25µm hohen Pfosten besteht, die in
unterschiedlichen Höhen mit dünnen Sprossen verbunden sind. In einem
zweiten Lithograpie-Schritt wurden dann die Haftgriffe exakt in der
Mitte der Sprossen platziert. Mit Hilfe einer Lösung von
Haftungsproteinen binden die Proteine nur an diesen kleinen Griffen.
Einzelne Zellen besiedeln dann innerhalb von zwei Stunden das Gerüst
und adhärieren nur an den vorgegeben Haftpunkten.
Mit dieser Grundlagenforschung haben die Wissenschaftler des CFN
in Karlsruhe erstmalig geeignete Materialien angefertigt, in dem das
Wachstum einzelner Zellen gezielt dreidimensional kontrolliert und
manipuliert werden kann. Dies ist ein wichtiger Schritt zum
allgemeinen Verständnis, wie die natürliche dreidimensionale
Umgebung im Gewebe das Verhalten von Zellen beeinflusst.
Literatur
Klein, F., Richter, B., Striebel, T., Franz, C. M., Freymann, G.
v., Wegener, M. and Bastmeyer, M., Two-Component Polymer Scaffolds
for Controlled Three-Dimensional Cell Culture. Advanced Materials,
Volume 23, Issue 11, pages 1341–1345, March 18, 2011, DOI:
10.1002/adma.201004060